Die Geisteswissenschaften verführen aufgrund ihrer Arbeitstechnologien - Alleinsein, Kontemplation, abgeschlossener Raum, heimliche oder private Lektüre oder diese fieberhafte Faulheit in den Archiven – Autorenposten zu verstärken oder zu vergrößern. Wenn man genau hinsieht und sich selbst genau beobachtet, bei dem was man da tut, merkt man, daß das ein sehr vielstimmiges Geflecht ist, in denen Stimmen aus der Vergangenheit, Stimmen von nebenan, Stimmen aus der Gegenwart, mitwirken an dem, was man zu Papier bringt. Sehr viel Neuheit wird in den Geisteswissenschaften eigentlich dadurch produziert, daß man sich zu einem Transporteur macht. D.h. das man beispielsweise eine gute Idee von einem bestimmten Arbeitsgebiet in ein Arbeitsgebiet transportiert, wo diese noch gar nicht vorhanden war. [...] Also die Geisteswissenschaften sind ebenso mit unterschiedlichen Kollektivformen oder Kollektivstimmen imprägniert und müssen damit auch in irgendeiner Weise als bestimmte Gestalt narzißtischer Kränkung umgehen. Je mehr man in sich hineinhört, desto weniger ist die Stimme eine eigene.
Joseph Vogl

Zur Pathologie der Netzwerke - im Gespräch mit dem Literaturwissenschaftler Joseph Vogl


Videofassung des Interviews vom 19. Mai 2010, 10 min., mp4, ca. 18 Mb

komplettes Interview als Audiostream: OGG / MP3 (20 min, 8/9 Mb):
0:02 die Masse als Wahnsinniger
4:49 prosopopoia - zum Wechselverhältnis von Gesicht und Stimme
7:00 Thomas Hobbes' macros anthropos
8:35 Pathologie der Netzwerke: vom antiken Fluchgewirk zum Web 2.0
14:21 Der Geisteswissenschaftler als Transporteur
19:37 Mein Lieblingsbild

weitere Informationen:
Prof. Dr. Joseph Vogl, Institut für Deutsche Literatur (Humboldt-Universität) 


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